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DIE GESCHICHTE VON KEEP THE CHANGE

Die letzte große Service-Innovation im Bankensektor war das Online-Banking in den achtziger Jahren. Danach passierte lange nichts. Erst im Oktober 2005 brachte die Bank of America ein radikal anderes Produkt auf den Markt, das ein Paradigma brach. Es hieß: Keep The Change.


Understand

Ein kritisches Problem von Banken ist die Gewinnung von Neukunden. 2004 beauftragte die Bank of America (BoA) das kalifornische Design Thinking Unternehmen Ideo, ein spezielles Kundensegment genauer unter die Lupe zu nehmen: Frauen aus der Babyboomer-Generation mit Kindern. Das Ziel war herauszufinden, wie es gelingen könnte, dass diese Kunden neue Bankkonten bei der BoA eröffnen.

Observe

Wie in jedem klassischen Design Thinking Projekt wurde zunächst ein schlagkräftiges Team zusammengestellt: Fünf Nutzerforscher der Bank of America und vier Nutzerforscher von Ideo. Zwei Monate lang erforschten sie die Wünsche, Bedürfnisse und Probleme von Babyboomer-Müttern in Atlanta, Baltimore und San Francisco. Hierzu setzten sie unterschiedliche qualitative Methoden ein. Sie besuchten mehr als zwölf Familien in ihrem Zuhause. Sie schauten Müttern über die Schulter, wenn diese ihre Haushaltsbücher führten, beim Einkaufen an der Kasse oder dem Bezahlen im Restaurant. Sie sprachen Menschen in Einkaufsstraßen an und führten spontane Interviews mit ihnen.

Das Team suchte überall dort nach neuen Erkenntnissen, wo es um den Umgang mit Geld ging.

Die Mehrzahl der Mütter führte ein Haushaltsbuch, in dem sie alle Ausgaben genau erfassten. Das Team in Atlanta beobachtete, wie eine Mutter ihre Einträge auf einen glatten Betrag aufrundete. Aus 4,80 Dollar machte sie 5 Dollar. Als das Team nachfragte, weshalb sie alle Beträge rundete, sagte sie, dass es so viel einfacher und schneller zu rechnen sei.

Die angenommenen Ausgaben waren dadurch immer etwas höher als die tatsächlichen Ausgaben. So war die Frau am Monatsende jedes Mal positiv überrascht, weil sie weniger ausgegeben hatte als gedacht. Auch bei Kartenzahlungen in Geschäften rundeten einige der Frauen die Beträge aus reiner Bequemlichkeit auf. Eine weitere Erkenntnis war, dass es vielen Müttern schwerfiel zu sparen. Bei einigen lag es am fehlenden Geld. Bei anderen haperte es an der Selbstkontrolle beim Einkaufen. Sie konnten ihren Kaufimpuls einfach nicht zügeln.

Point of View

Aus diesen Erkenntnissen heraus entwickelte das Team den Point of View. Hierzu nutze es die Methode „Jobs-to-be-done“. Jobs-to-be-done beschreiben emotionale und funktionale Bedürfnisse, die in bestimmten Situationen auftreten. Sie bestehen aus drei Komponenten.

1. Die Situation, in welcher das Bedürfnis auftritt
2. Das Bedürfnis selbst
3. Das Ergebnis, das die Person erwartet, wenn ihr Bedürfnis erfüllt wird

Das Design Team formulierte zwei Jobs aus der Perspektive seiner Zielgruppe:

Job #1

Wenn ich meine Finanzen überprüfe (Situation), möchte ich die Beträge gerundet sehen (Bedürfnis), damit ich schnell einen Überblick habe (Ergebnis).

Job #2

Wenn ich meine Finanzen überprüfe (Situation), möchte ich, dass meine Ersparnisse höher sind als erwartet (Bedürfnis), damit ich am Ende des Monats positiv überrascht werde (Ergebnis).

Nun stand das Design Team an dem Punkt, einen Service zu entwickeln, der diese Jobs für die Zielgruppe erfüllte.

Ideate

Im Sommer 2004 wurde ein Team mit Produktmanagern, Finanzexperten, Software-Entwicklern und Betriebswirtschaftlern zusammengestellt, das neue Produktideen auf Grundlage dieser Erkenntnisse entwickeln sollte. In zwanzig Brainstorming-Sessions entwickelte das Team über achtzig Produktkonzepte. Nach einem Auswahlprozess wurde eine Idee favorisiert:

Jedes Mal, wenn ein Kunde etwas mit seiner Karte bezahlte, sollte der Betrag aufgerundet und der Differenzbetrag auf sein Sparkonto übertragen werden.

Diese Lösung baute auf einer bereits existierenden Angewohnheit auf und löste auf der anderen Seite ein Problem. Das Aufrunden von Beträgen aus Bequemlichkeit konnte dazu genutzt werden, Geld zu sparen.

Prototyping & Test

Um die Idee zu testen, entwickelte das Team einen kurzen Comic-Film, der folgende Szene zeigte: Eine Frau kauft in einem Geschäft einen Becher Kaffee für 1,50 Dollar. Man sieht, wie dieser Betrag auf 2 Dollar aufgerundet wird und 50 Cent auf das Sparkonto der Frau übertragen werden.

Mit Hilfe dieses Films wurde die Idee mit 1600 Kunden online getestet. Das Ergebnis war grandios – besonders der Innovationsfaktor begeisterte die Kunden.
Im Dezember 2004 bekam die Idee grünes Licht von oben. Der Implementierung stand nichts mehr im Weg. Die erste Herausforderung war die Namensfindung. In einer Fokusgruppe schlug eine Frau den Namen „Keep the Change“ vor. Das passte.
Während der Implementierungsphase wurde das Konzept noch einige Male iteriert.
Es kamen drei Funktionen hinzu.

1. Eine Zusammenfassung aller aufgerundeten Transaktionen

Eine „fail-safe“-Funktion, die verhinderte, dass Geld auf das Sparkonto übertragen wurde, wenn damit eine Kontoüberziehung verursacht würde

  1. Die Bank of America schenkte ihren Kunden die Differenzbeträge bis zu insgesamt 250 Dollar im Jahr

Launch

Nachdem das Produkt marktreif war, stand das Design Team vor der Frage, wie sie „Keep the Change“ an die Öffentlichkeit bringen wollten. Erneut kam die Idee aus einer Fokusgruppe: Wie wäre es, wenn man Leute dazu bringen würde, zwischen den Polstern eines Sofas nach Kleingeld zu suchen?

Also wurde eine monströse, zwanzig Meter lange rote Samt-Couch gebaut, die garantiert für Aufmerksamkeit sorgen würde.

Zum Produkt-Launch am 5. Oktober 2005 wurde die Couch, vollgepackt mit Kleingeld, im Grand Central Terminal in New York aufgestellt. Journalisten wurden eingeladen und Passanten dazu aufgefordert in der Couch nach Kleingeld zu suchen.

Duplikate des Sofas wurden in Einkaufszentren in Boston, Dallas, Los Angeles, and Miami aufgestellt und berühmte Football Spieler angeheuert, um in die Malls zu kommen und nach Kleingeld zu suchen.

Seit dem Launch von „Keep the Change“ hat die Bank of America mehr als 8 Millionen neue Kunden gewonnen, die mehr als eine Milliarde Dollar durch Aufrunden gespart haben.

99 Prozent der Kunden, die sich für das Programm angemeldet haben, bleiben dabei. Mit „Keep the Change“ ist es der Bank of America nicht nur gelungen, ihre ursprüngliche Zielgruppe zu motivieren neue Bankkonten zu eröffnen, sondern darüber hinaus eine viel breitere Bevölkerungsschicht zu begeistern.

Die Auswirkung von Design Thinking ist in keinem anderen Projekt so deutlich an Zahlen abzulesen wie hier.

Bleib inspiriert

Pauline

Quellen: www.sourcemediaconferences.com, www.youtube.com, www.forbes.com, www.bloomberg.com

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